DARMSTÄDTER ECHO

Literatur: Die Darmstädter Textwerkstatt II: Kurt Drawert als Vater der Gedanken

DARMSTADT.

„Jeder wird an sich selbst gemessen“, sagt Kurt Drawert. Der Leiter der 1997 gegründeten Darmstädter Textwerkstatt und Initiator der Lesebühne im Literaturhaus unterstreicht den Respekt, den die Autoren einander entgegenbringen als Basis jeder Textkritik. Drawert hat jedoch die Leitung der 2005 gegründeten zweiten Textwerkstatt in die Hände von Lyrikerin und Dozentin Martina Weber gelegt: „Ich hätte das zeitlich gar nicht mehr geschafft.“
Die Textwerkstatt II ist Konsequenz aus dem ein- bis zweijährigen Einstiegskurs, der Theorie und Handwerk des Schreibens in den Mittelpunkt stellt. Jetzt treffen sich Autoren, die bereits eine eigene literarische Stimme entwickelt haben. Unveröffentlichte Literatur der Teilnehmer wird diskutiert. „So lang dir der eigene Text zulächelt, stimmt was nicht. Dann bist du zu dicht dran“, sagt Autor Klaus Brunn. Michael Hüttenberger, vor kurzem als märchenverdichtender Autor hervorgetreten, sagt: „Bei uns herrscht solidarische Gnadenlosigkeit.“ Andreas Ross betont: „Wohlgemerkt, in geschütztem Raum.“

Die Männer und Frauen, die sich versammelt haben, stehen mit mindestens einem Bein fest im Literaturbetrieb. Romane, Gedichte, Kurzgeschichten haben sie publiziert und Literaturpreise gewonnen. Zugegen sind etwa Barbara Zeizinger, Iris Welker-Sturm und Ralf Schwob. Gefragt, was sie motiviere, die Textwerkstatt zu besuchen, geben sie bereitwillig Auskunft. Autorin Brigitte Morgenroth meint: „Viele denken, sie können schreiben. Hier werden Träume gefleddert. Jetzt heißt es: raus aus dem Elfenbeinturm.“ Hüttenberger wiederum merkt schelmisch an: „Elfenbeinturm ja. Aber wir lassen auch andere rein.“ Maria Knissel, deren Debütroman „Der Klarinettist“ 2007 erschien und in dieser Zeitung als Tagesroman zu lesen war, sagt: „Man profitiert doppelt. Man lernt, Texte kritisch zu betrachten und erfährt kompetente Kritik an den eigenen Texten.“

Also lässt sich Schreiben lernen? Kurt Drawert reagiert vehement: „Es geht nicht um Lernen, es geht um Förderung. In die Textwerkstatt kommen Autoren, deren Begabung offensichtlich ist. Wir vermitteln handwerkliches Rüstzeug, um das vorhandene Potenzial auszuschöpfen. Nach Rezeptanweisung wird niemand Schriftsteller, das Wesentliche muss er mitbringen.“ Drawert berichtet von der Auswahl der Teilnehmer für jede Textwerkstatt. „Autoren mit Substanz“ sind willkommen, manch einer sei aber auch schon so sehr er selbst, dass er nicht in die Gruppe passe. „Die Bereitschaft zum kritischen Diskurs ist Basis.“ Vom „Nadelöhr der Textwerkstatt I“ ist die Rede: „Wer dieses durchlaufen hat, hat das Potenzial, auf der literarischen Bühne Stand zu finden.“

Im Grunde, so Drawert, finde in Textwerkstatt II eine inhaltliche Betreuung der Autoren statt, die Lektoren als „Verwalter von Büchern“ heutzutage nicht mehr leisten können: „Das Interesse am Diskurs ist groß – wir haben Teilnehmer aus dem gesamten süddeutschen Raum.“ Mit Blick auf Hüttenberger, der neuerdings in Friesland lebt, fügt er hinzu: „Und natürlich auch aus dem norddeutschen Raum.“

Die Mitglieder der Textwerkstatt unterstützen einander bei Organisation von Lesungen. „Kurt Drawert ist unser heimlicher Lektor vom Wiesenburg-Verlag“, wird mit Blick auf die hohe Publikationsquote der Textwerkstatt-Autoren im Verlag scherzhaft angemerkt.

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