easymagic123- einführungsrede von dr. isa bickmann

glamorous and fabulous

easymagic123 im Kunstverein Offenbach

Ist eigentlich eine Ausstellung, an der ausschließlich Frauen beteiligt sind, zwei Malerinnen und eine Lyrikerin, per se eine feministische Veranstaltung? Eines ist sicher: Weibliche Benachteiligung bleibt ein Dauerthema im Kunstbetrieb, solange der internationale Auktionsmarkt immer noch zu 98 Prozent männlich dominiert wird, was heißt, dass man als Künstlerin von Vornherein schlechtere Karten hat.
Und wo könnte der Feminismus besser aussehen als in einem Shopping-Center? Der Offenbacher Kunstverein befindet sich mitten in einem Einkaufsparadies – ein Kunsttempel im Konsumtempel. Kunst und Konsum sind tatsächlich nicht sehr weit voneinander entfernt, denn Objekt und Ware finden auch in einer Kunstinstitution zueinander: Geboten wird dort eine Ware für die Augen, die allerdings zuvorderst nicht als kommerziell verortet wird, die aber, und da gleicht sie der Konsumware, Aufmerksamkeit begehrt. Sie richtet sich an den Gesichtssinn, der für die Aufnahme von optischen Reizen und deren Verarbeitung zuständig ist. Nichts anderes geschieht beim Shopping.
„Jetzt kreisen unsere Arbeiten seit Jahren um die Suche nach dem authentischen Glamour“, umschrieb mir die Lyrikerin Julia Mantel die Gemeinsamkeiten der drei Frauen. Was könnte den „authentischen Glamour“ schöner verdeutlichen als Julias dunkle Stimme, mit der sie ihre Gedichte vorträgt und in pfiffigen Wortspielen voller Klangfiguren, Kunst und Leben zusammenbringt. Ihre Verse lassen generationsspezifische Erinnerungen aufkommen. Da sind zum Beispiel die Zeilen „sie gefallen mir / sie gefallen mir / sehr“ , die als Romy-Schneider-Zitat aus einer deutschen Talkshow von 1974, dem Geburtsjahr der Lyrikerin, erkannt werden können, eine öffentliche Ermächtigung der Schauspielerin, wagte damals doch kaum eine Frau, diese Worte zu einem Mann zu sprechen.
Was macht ein Frauenleben aus zwischen dem schnöden Alltag und dem authentischen Glamour? Die Kategorie „Stricken“ auf Mantels Unvermittelbar-Blog stellt selbstbewusst das Handwerk neben die Poesie – hier darf geshoppt werden! – Sie hinterfragt keineswegs weibliche und dabei oft der Frau unterstellte dilettierende, sich handwerklich äußernde Kreativität. Darüber sind wir doch seit Rosemarie Trockel längst hinaus, die diese Hinterfragungen in die bildende Kunst gebracht hat und heute zu den erfolgreichsten weiblichen Künstlerinnen gehört. „ich darf so bleiben wie ich bin“, schreibt die Dichterin, „echt jetzt?!/ weiß ich jetzt ehrlich gesagt gar nicht / wie ich damit umgehen soll.“ Dem weiblichen Streben nach Vervollkommnung, Verschlankung, Verschönerung lassen diese Zeilen einfach die Luft raus!
Und der Glamour? Mantel schreibt: „oft trügt der schein nicht nur, er trübt / er betrübt vielmehr.“ Dabei steht Dir/uns allen ja eigentlich die Karibik zu, so der Titel ihres vierten Lyrikbandes. Es reicht aber nur zu einer Fototapete mit Sonnenuntergang in Blutorangenrot , in der Farbe des Saftes, den man bei Aldi bekommt. Das ist komisch und tragisch zugleich.
Julia Mantel kreiert eine sprachliche Atmosphäre, die das Banale des Alltags benennt, doch in eine offene interpretierbare Form einbettet und an den Dialog der Malerinnen, der schon seit der gemeinsam besuchten Städelschule währt und bisher in der in Düsseldorf und Essen gezeigten Schau easymagic123 einen Reflektionsraum bot, so offen und frei andockt, dass Berührungen vage bleiben, aber sich doch ein persönliches Verhältnis dazu nicht ausblenden lässt.
Bei der Betrachtung der Motive, die Julia Jansen auf Leinwand bannt, stellt sich individueller Blickbezug her. Es sind Erinnerungen eigener Empfindungen gegenüber dem Haptischen, Glänzenden, Verlockenden eines Gegenstandes, der von der Malerin zeit- und ortlos spektakulär-unspektakulär dargeboten wird. Indem wir also über den Gegenstand nachdenken, den Jansen zur Betrachtung inszeniert, hat sie uns auch schon gewonnen über dieses ihren Bildern innewohnende übernatürliche Leuchten. Die Veredelung des Gegenstandes, sein Glamour, verweist auf das eigentliche Thema: die Malerei. Malerei ist Illusion, und Malerei ist Licht. Die Essenz dieser Malerei ist das Malerische selbst, in einer Art Sfumato von atmosphärischen Schleiern überzogen wie nicht scharfgestellt, mal Stoff und Figur, mal abstrahierend und glänzender Raumkörper. Wichtig ist der Künstlerin, dass der Pinselstrich erkennbar bleibt und nicht alles mit dem Blender verrieben wird. Jansen nutzt fotografische Vorlagen, die sie selbst herstellt. Die Stoffarrangements ihrer „Torsi“ werden mit einem Scheinwerfer beleuchtet und fotografiert. Das Modell und seine Fotografie bilden die Vorlagen, die dann auf Leinwand übertragen werden. Neuerdings arbeitet Jansen mit einem Malprogramm, mit dem sie Farben und Lichteffekte mühelos am Bildschirm verändern kann. Das digitale Ergebnis übersetzt sie dann in Malerei. So sind diese durch Lichthöhungen an Kissen erinnernde Formen entstanden, die keinesfalls selbst Kissen sind wie bei Gotthard Graubners Kissenbildern, sondern sich aufgrund ihrer Lichtreflexe aus der flachen Bildebene räumlich hervorheben. Sie werden nach den verwendeten Farben benannt, wie „Magenta, Zinkweiss“ oder „Cyan, Hellgelb“.
Jansen spielt mit unserer Wahrnehmung und macht deutlich, dass ihre verführerisch „luxuriöse“ – das Adjektiv nutzt sie selbst – von Licht durchwirkte Malerei (von Lux, lat. Licht) Illusion ist. Annelie Pohlen beschrieb das Konzept so: „Das Licht gaukelt vor. Die Lichtregie im Bild gaukelt nicht minder vor. Dabei setzt Julia Jansen alles daran, der Wahrnehmung dieses Gaukelspiel tatsächlich vor Augen zu halten.” Während die Malerei selbst authentisch bleibt, ist die in der Malerei reflektierte Wirklichkeit eine trügerische Erscheinung. Dazu nutzt Jansen Fotoästhetik, wie sie in einem Künstlerinnengespräch mit Bettina Sellmann sagte. Es sei außerdem Luxus, sich Dinge via Malerei anzueignen, ohne sie besitzen zu müssen. Wir erinnern uns an Julia Mantels Bild der Karibik, das als Fototapete daherkommt.
Jansen macht den Sehprozess deutlich. Sie tritt mit uns in den Dialog, was eine Steigerung erfährt, durch den Dialog mit der Malerin Bettina Sellmann, die wie sie als Meisterschülerin bei Thomas Bayrle ihr Studium abschloss. Beide kennen sich seit 1992 und erzählen, dass sie damals stundenlang im Atelier ihre Bilder diskutiert haben. So unterschiedlich beider Malerei ist, so gut passt sie zusammen. Begründen lässt sich dies wohl mit den Qualitäten des Malerischen: Farbe, Textur, Oberfläche und Inszenierung.
Bettina Sellmann verweist auf das „Bad Painting“ der 1980er/1990er Jahre, das sie aus weiblicher Perspektive weiterverfolge. Und weil man sich als Künstlerin in jener Zeit absichtsvoll von allem distanzierte, was vielleicht als „von einer Frau gemalt“ wahrgenommen werden konnte, war dies für sie der Anlass, eben hier anzusetzen und zu schauen, wie sehr das Süß-Elegante ausgereizt werden kann.
„Cute Empowerment“ nennt Annekathrin Kohout die Bewegung, die über das Internet erschienen ist und sich den dunklen Seiten des Netzes entgegenwirft, um in rosa-glitzernden Kawaii-Figuren die Niedlichkeit als positiven Stimulus zu nutzen. Takashi Murakami hat diese Manga-Bildsprache zum Geschäftsprinzip gemacht. Bettina Sellmann nutzt ihre pastellfarben-zuckrige Barock- und Kawaii- oder Kidult-Figuren, um sich einer Ästhetik zu bemächtigen, die bislang einer klischeehaften und diskriminierenden Zuweisung diente. Durch die Affirmation überwindet sie Vorurteile, lässt diese transparent werden.
Auf dem großen „Weihnachtsbild“ zieht sie alle Register der Malens: lasierender Auftrag, herabtropfende dünne Farbe, Farbdruck und 3D-Paste bilden einen Fest-Traum mit rosenbedruckter Tapete ab. Daneben versammelt sie aktuelle Werke mit Verweisen auf ihre Motive, die sie aus der Kunst des Barock und der Manga-Welt bezieht. Die Gesichter und Figuren erscheinen fluide, lasierend-leicht und flirrend-bewegt auf der Leinwand, kindliche Farben deuten riesige Augen, sich auflösende Gesichter und bewegte Figurinen an. Der „Enlightened Dancer“ wirkt wie ein in eine blaue Explosion getauchtes durchscheinendes Negativbild. „Electric Doll“ scheint sich ins Ungefähre aufzulösen. Die Puppe ist ganz und gar transparent, aber immer noch Figur. Obwohl Sellmanns Werke zeichnerisch wirken, wie Julia Jansen bemerkte, trennen sie Welten von der Comiczeichnung. Dazu sind sie viel zu bewegt, es fehlt ihnen das Statische der Umsetzung.
Sellmann nutzt ihr malerisches Können, und das gilt auch für Julia Jansen, um Transparenz/Stofflichkeit und Bildraum, Inszenierung und Oberfläche zum eigentlichen Gegenstand ihrer Bilder werden zu lassen. Das Immaterielle, Illusionistische benennt das Objekt. Das Comichafte wandelt sich um in Malerei. Die Fiktion berührt die Wirklichkeit, wenn Julia Jansen betont, dass sie sich den Gegenstand nicht kaufen müsse, um ihn zu besitzen. „Ich kann ihn malen.“ Und das will sie zelebrieren: „Warum soll ich Asche malen, wenn es auch Gold, Blingbling und Lichteffekte gibt?“
In beider Werken wird die Fiktion lebendig: Drapierten Hüllen, glänzenden Oberflächen bei Jansen, Kawaii- und Barockfiguren bei Sellmann wird eine Bühne geschaffen. Die Stofflichkeit zeigt sich im besten Licht, wird mit rauschhaftem Farbauftrag umkreist und mit Glitter bestäubt. Authentizität stellt sich über die Offenlegung der Fiktion ein. Das macht dann den „authentischen Glamour“ aus. Julia Mantel ist es wichtig, in ihren Versen einen „Sound der Zeit“ zu finden, der Ambivalenzen zur Sprache bringt und als Reaktion auf unsere Gegenwart verstanden werden kann: auf Instagram-Inszenierung, also jener medialen Bühne des Egos bis hin zu medialen Manipulationen oder der aggressiven Sprache in den Social-Media-Kanälen. So bietet easymagic123 das Passwort zu mehr Zärtlichkeit, Cuteness und Glanz gegen die Düsternis.
Ich wollte die Karibik und bekomme Aldi. Aber das Orangerot ist glamourös. Und darauf allein kommt es an!

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